Anekdoten & Geschichten

Johann Sebastian Bach spielt persönlich auf…

Vor etlichen Jahres wurde in Bochum ein Konzert in der Pauluskirche (einer kleinen Kirche im Zentrum der Innenstadt) angeboten. Ein Organist, dessen Namen ich nicht mehr erinnern kann, gab ein Orgelkonzert mit Stücken von Johann Sebastian Bach.
Es war später Herbst und entsprechend kühl draussen, sodass ich nach einem Spaziergang zuvor froh war, in die beheizte Kirche zu kommen und mir (das erste Mal bewusst) ein Konzert von Bach anzuhören. Nach einiger Zeit, in der die Kirche vielleicht zur Hälfte gefüllt war, trat der Organist auf der Orgelempore hervor, stellte sich kurz vor und begann dann mit ein paar kurzen Fingerübungen, bevor es richtig losging.

Ich bin recht gut geschult, was Musik angeht, da ich in meiner “Sturm- und Drangzeit” einige Jahre als Toningenieur bei einer Rockgruppe gearbeitet hatte und dort mein Gehör (trotz der Lautstärke) gang gut geschult wurde, was Harmonien, Zusammenspiel und Darbietung betraf.
Jetzt, als der Organist loslegte, musste ich zunächst stutzen, denn der erste Vortrag hörte sich zwar nach Bach und Musik an, aber es fehlte einfach etwas Entscheidendes. Es hörte sich nicht so an, wie ich es von einigen Aufnahmen gewohnt war. Ich wurde etwas unruhig.
Nach diesem ersten Stück schien sich aber etwas verändert zu haben, denn das zweite Stück war schon bedeutend besser anzuhören und ich beruhigte mich. Langsam fing ich an, die Musik, die ich wirklich herausragend finde, mehr und mehr zu genießen. Insgesamt waren 6 Stücke vorgesehen mit einer Dauer von etwa 90 Minuten…

Dann, beim 4 Stück passierte etwas, was ich absolut nicht erwartet hatte. Die Spielweise des Organisten schien sich zu verändern. War vorher die Musik von Johann Sebastian Bach zuerst mäßig, dann gut vorgetragen worden, fand nun eine fundamentale Veränderung statt.
Ich kann mich gut erinnern, wie ich das Gefühl bekam, mit der Musik selbst zu verschmelzen. Die Musik wurde nicht mehr vorgetragen, sie spielte sich selbst! Ich kannte die Stücke alle, auch von wundervollen Aufnahmen großer klassischer Musiker – aber das hier war völlig neu. Ich wurde plötzlich Teil der Musik und konnte dabei etwas fühlen, was ich zuvor noch nie bei irgendeiner Musik gefühlt hatte.
Ich fühlte, wie Johann Sebastian Bach selbst aufspielte und mit seinem Spiel eine Hymne an Gott vortrug. Ich konnte fühlen, was Bach bei diesem Stück gefühlt hatte. Was für eine unvorstellbare Hingabe an die Schöpfung! Niemals zuvor und auch niemals danach habe ich Vergleichbares erlebt.
Ich höre gerne Musik und bin durchaus auch immer mal wieder bewegt und berührt – aber das – in diesem Konzert – war das Aufspielen eines wahren Meisters. Ich spürte die Absicht und die Energie, die in diesem Stück lag und befand mich auf einer Reise in andere Dimensionen.
Auch das nächste Stück nahm mich in gleicher Weise mit. Beim abschließenden Stück war es nicht mehr so. Es war wirklich gut gespielt, aber nur ein Vortrag.
Niemand anderes schien das in selber Weise wahrgenommen zu haben, wie ich herausfand, als ich mich mit meiner Frau und weiteren Besuchern unterhielt. Ohne es zu wissen, hatte ich mir erlaubt, die Energie und die wahre Kommunikation in dieser Musik zu erfahren. Johan Sebastian Bach gab mir ein privates Konzert und es war im wahrsten Sinne himmlisch!
Auch jetzt, wo ich es nach etlichen Jahren aufschreibe, bin ich wieder mit dieser Energie verbunden. Ein erhebendes Erlebnis, wenn man sich für etwas Größeres öffnet…

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